Segelfliegen, wie geht das ohne Motor?

Steht 'unsereins' einmal ganz unbeteiligt am Flugplatz oder sitzt auf der Gästeterasse bei einem Kaffee, kann man von den 'unbedarften' Besuchern wirklich unglaubliche Erklärungen zum Thema Segelflug hören. Ich muss mich manchmal sehr zurückhalten, um die Autorität diverser Väter nicht zu untergraben, die ihren Sprösslingen die 'Physik' des Segelfluges erklären. Ein starkes Beispiel - als unsere LS4 im Landeanflug die 'doppelstöckigen' Bremsklappen ausfährt, "schau, jetzt fährt er die Segel aus, damit ihm der Wind anschiebt!". Die weiteren Erklärungen des sicher wohlmeinenden Vater konnte ich nicht mehr hören, ich musste zu unserem Flieger.

Kein Flugzeug braucht - damit es fliegt - einen Motor! Unglaublich!? Das Spaceshuttle, 'zig Tonnen schwer, segelt ohne jede Triebwerkshilfe ab dem Wiedereintritt in die Atmosphäre tausende von Kilometern punktgenau zu seinem Landeplatz. Es braucht kein Triebwerk (es hat auch gar keines mehr), es braucht nur sehr viel Geschwindigkeit! Die holt sich das Spaceshuttle aus der Höhe, aus der es in steilem Winkel zur Erde gleitet/segelt und letztlich aus der Energie der Triebwerke, die es beim Start viele Tage zuvor in die Umlaufbahn gebracht haben. Jedes Flugzeug hat ein mehr oder weniger großes 'Eigensinken', das ist - gemessen in Metern - die Höhe die das Flugzeug bei einer bestimmten Geschwindigkeit ohne Triebwerkshilfe pro Sekunde verliert. Wie ein Auto, das im Leerlauf bergab fährt, bewegt sich das Segelflugzeug (und jedes andere Flugzeug ohne Triebwerkshilfe) ständig auf einem 'Gefälle' um die für das Fliegen notwendige Geschwindigkeit konstant zu halten. Wer mit unserer heimischen Fluglinie schon öfter die Strecke Frankfurt-Wien geflogen ist, wird dies vielleicht schon bemerkt haben - kurz nach der Grenze werden die Triebwerke immer leiser um dann letztlich in der Gegend von Linz mehr oder weniger nur mehr im Leerlauf zu arbeiten. Die Geschwindigkeit ändert sich kaum, aber das Flugzeug gibt konstant Höhe auf, richtig gesagt - es setzt Höhe in Geschwindigkeit um.

Moderne Segelflugzeuge haben die denkbar beste Aerodynamik, kein Vogel, kein Eurofighter oder Verkehrsflugzeug kann da mithalten. Die Bauweise in Carbon-, Keflar- oder Glasfaserverbund bietet eine vollkommen glatte, fast fugenfreie Oberfläche. Die Entwicklung ist mehr oder weniger seit den späten '80 Jahren abgeschlossen, Verbesserungen sind heute nur mehr sehr marginal. Ein Segelflugzeug der Standardklasse (15 Meter Spannweite) moderner Bauart hat einen Gleitwinkel von etwa 1:43, der Albatros - einer der besten Segler unter den großen Vögel - nimmt sich im Vergleich dazu mit 1:20 recht bescheiden aus. Auf das sehr vereinfachte Beispiel oben (Gefälle) zurückgeführt bedeutet dieser Gleitwinkel, aus 1Km Höhe bei ruhiger Luft 43Km weit zu fliegen. Die notwendige Ausgangshöhe (potentielle Energie) erreicht das Segelflugzeug im Winden- oder Flugzeugschlepp. Bei 100Km/h legt es dann 0,0277Km in der Sekunde zurück und sinkt dabei jeweils um 0,6 Meter. Nach 25,8 Minuten oder einer Strecke 43 Km wäre es wieder am Boden. Wäre es - gäbe es nicht auch Aufwinde, die uns Segelflieger - so wie die Gleiter unter den Vögel auch - immer wieder in größere Höhen bringen und uns damit wieder eine Strecke im Gleitflug zurücklegen lassen.